Stellen wir uns vor, das Bauen würde verboten wie in Teil 1 der Reihe gefordert. Zwar würde dann nach einer Weile der Leerstand sinken. Aber würde er ganz verschwinden? Und was kann man gegen uneinsichtige Eigentümer tun? Es gibt einige Beispiele dafür, wie scheinbare Schrottimmobilien gerettet werden. Als erstes muss man wissen, wo Häuser leerstehen. Eigentlich kümmern sich gewerbliche Makler darum, leere Büros oder Wohnungen neu zu vermitteln. Trotzdem steht viel leer, weil mancher Eigentümer gar nicht neu vermieten will, sondern in Abriss und Neubau das größere Geschäft wittert. Dem Hamburger Gängeviertel drohte dieses Schicksal, doch die dort arbeitenden Künstler konnten es abwenden. Aus ihrem Umfeld heraus wurden die Leerstandsmelder gegründet: Auf Stadtkarten im Internet kann jeder angemeldete Nutzer einen Leerstand „melden“, also echten oder vermuteten Leerstand mit Foto und einigen Informationen beschreiben. Die Angaben sind nicht immer korrekt, manche Formulierungen nah an der Rufschädigung, und die Profis von der gewerblichen Immobilienvermittlung lächeln ein wenig darüber, aber mancher schaut doch mal rein. Es geht hier weniger um eine Handelsplattform, obwohl neuerdings tatsächlich Vermieter ihre leeren Läden dort einstellen, so gesehen bei der Plattform für Wuppertal . Mindestens so wichtig ist aber der Protest gegen Leerstand und Verfall. So drückt sich das Unbehagen vieler Menschen am Umgang mit unseren Häusern aus, und die Portale gibt es inzwischen für zwanzig Städte. In Berlin und Hamburg warten sie mit 500 bzw. über 800 Einträgen auf.
Gorillas und Zwischennutzer
Wie hohl die Argumente oft sind, denen zufolge eine Sanierung unmöglich sei, zeigte eine Aktion der ironisch betitelten Goldgrund Immobilien in München: Als Gorillas verkleidet, setzten sie eine Wohnung in einem leerstehenden Haus an der Müllerstraße instand. Das schauten sich inzwischen 180.000 Leute auf Youtube an. Zwar konnte die Aktion nicht alle Ziele erreichen, aber immerhin änderte der Eigentümer seine Pläne. Der war für politischen Druck besonders empfänglich – es handelt sich um die Stadt München. Wenn der Eigentümer es will, dann lässt sich häufig zumindest eine provisorische Nutzung erreichen, solange Pläne für die weitere Zukunft unklar oder unbezahlbar erscheinen. Die Bremer Zwischenzeitzentrale vermittelt solche Zwischennutzungen von Läden und Büros. Die werden dann wenigstens belebt und gepflegt, der Verfall verhindert. Das ist auch die Idee der Leipziger Wächterhäuser, wo ganze Gründerzeithäuser von Zwischennutzern bewohnt und bewacht werden. Diese Idee hat sich in weitere Städte wie Erfurt und Dresden ausgebreitet. Bei sogenannten Ausbauhäusern gehen die Leipziger noch weiter und vermitteln Bewohner, die für wenig Geld mieten, aber dafür selbst modernisieren. Was aber, wenn Eigentümer auf keinen Fall vermieten wollen, etwa weil sie dann einen niedrigen Mietzins realisieren müssten, obwohl sie lieber von höheren Mieten träumen? Es lohnt sich, einen Blick auf die Eigentümer zu werfen: Wem gehören die Schrottimmobilien?
Gewinnsüchtige und Betrogene
Natürlich gibt es die typischen Spekulanten, also Investoren, die ihren Gewinn maximieren möchten und dafür auf Abriss statt auf Sanierung setzen. Doch auch bei diesen kommerziellen Immobilienfirmen gab es womöglich früher andere Pläne mit einem Haus, das sich dann später als wenig gewinnbringend entpuppte. Solche Investoren besitzen teilweise große Bestände von Gebäuden und stecken ihr Geld dorthin, wo es sich vermutlich am meisten lohnt, so dass für andere wenig übrigbleibt. Diesen Typ Eigentümer von Schrottimmobilien unterschied Guido Spars von der Universität Wuppertal auf der Umbaukultur-Tagung von anderen. Rund dreiviertel aller Gebäude in Deutschland gehören ihm zufolge privaten Eigentümern. Da gibt es etwa die Erbengemeinschaft, die sich nicht einigen kann, und darum das Haus verfallen lässt. Und dann gibt es Einzeleigentümer, die sich haben übers Ohr ziehen lassen. Aus Bremerhaven hört man wilde Geschichten zu den Ramschhäusern im Stadtteil Lehe, die irgendwelchen Zahnärzten aus Sindelfingen gehören. Manche davon haben ihr Eigentum noch nie gesehen, sondern nach Prospekt für 100.000 Euro eine Wohnung gekauft, weil so ein Betrag in Baden-Württemberg nach einem Schnäppchen klingt. Leider liegt der Wert dieser Wohnung in einem verfallenen Haus in Bremerhaven eher bei Null, und nun wollen die Eigentümer ungern einsehen, dass sie sich haben betrügen lassen. Aber nur wenn sie das hinnehmen, werden sie bereit sein zu Sanierung oder Verkauf zu einem beinahe symbolischen Preis von 10.000 Euro oder weniger.
Auch in solchen Fällen kann es eine Chance für die Häuser geben, wenn die Stadt sie kauft. Spars berichtete vom Projekt Klushuizen in Rotterdam: Die Stadt kauft verfallene Gebäude und vergibt sie für wenig oder kein Geld an Erwerber, die sich im Gegenzug verpflichten, die Häuser zu sanieren und außerdem selbst darin zu wohnen. Das erinnert an die Leipziger Ausbauhäuser, nur dass in Rotterdam sogar das Eigentum auf die neuen Bewohner übergeht. In Deutschland haben Kommunen in bestimmten Gebieten ein Vorkaufsrecht für Grundstücke und damit eine weitere Möglichkeit, Häuser zu retten. Allerdings weist Guido Spars darauf hin, dass gerade den Gemeinden in den wirtschaftsschwachen Gegenden das Geld zum Kauf oft fehlt, obwohl es dort besonders viele Schrottimmobilien gibt.
In Teil 1 der Reihe ging es darum, ob wir einen Gebäude-TÜV brauchen, Teil 3 der Reihe wirft einen Blick auf radikale Mittel gegen Leerstand in den Niederlanden. Hier geht es zum Überblick aller Beiträge zu Leerstand. Dranbleiben: Klassischen Newsletter oder RSS-Feed abonnieren oder über Facebook folgen (Links rechts in der Seitenspalte).
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