Leerstand, Teil 1: Brauchen wir einen Gebäude-TÜV?

Foto Leerstand holzverbrettert

Läden, Büros und Wohnungen stehen leer. Wenn wir sie neu und anders nutzen, wird Neubau überflüssig.

Start einer dreiteiligen Reihe zum Leerstand und wie wir ihn verhindern können

Wie kann man verhindern, dass Häuser leerstehen, verfallen und schließlich abgerissen werden? Wie es nicht geht, erfuhren die Bewohner der Hamburger Esso-Häuser kurz vor Weihnachten: Von einem Tag auf den anderen mussten sie ihre Wohnungen verlassen, weil das Ensemble einsturzgefährdet sei. In Kürze soll es abgerissen werden. Damit hätte sich der Eigentümer Bayerische Hausbau das Feld freigeräumt, um stattdessen einen größeren und rentableren Neubau zu errichten. Dass dies der wahre Grund war, die Gebäude jahrelang verkommen zu lassen, vermutet mancher in der Initiative Esso-Häuser. Verfall nach Plan kann man auch bei den historischen Wohnhäusern in Oldenburgs Burgstraße vermuten, wie vor kurzem hier gezeigt. Nach sechzehn Jahren ohne Bewohner sollen sie nun ebenfalls abgerissen werden. Gleich zwanzig Jahre steht die Südzentrale Wilhelmshaven leer, ein monumentales Kraftwerk von 1909. Jetzt behaupten die Eigentümer, eine Sanierung rechne sich nicht, und der Oberbürgermeister hebt hilflos die Hände. Was kann man tun, um Abriss zu verhindern, „brauchen wir einen Gebäude-TÜV?“, fragt Christoph Twickel in einer aktuellen Debatte auf bkult.de. Bei den Antworten zeigt sich, dass es bereits einige rechtliche Mittel gibt, um totale Zerstörung von Häusern abzuwenden: Der Eigentümer ist verpflichtet, sein Gebäude instandzuhalten. Man kann ihm auf die Sprünge helfen, indem man jeglichen Verstoß gegen Bauordnungsrecht sofort ahndet – wobei es leider bisweilen am politischen Willen der Kommunen fehlt, gegenüber Investoren hart durchzugreifen. Ein ministerieller Leitfaden Schrottimmobilien hatte schon vor einigen Jahren weitere Mittel aufgelistet, Schaden zu mindern. Manches davon weist jedoch eher zum letzten Weg der Häuser, wenn etwa die Kosten für das Zumauern von Fenstern dem Eigentümer in Rechnung gestellt werden, oder gar die Kosten des „Rückbaus“, also des Abrisses. In einigen seltenen Fällen berichtet der Leitfaden sogar von Enteignung oder von der freiwilligen Aufgabe des Eigentums.

Leerstand verhindern heißt Abriss verhindern
Wenn ein Haus genutzt wird, dann stehen die Chancen gut, es in Schuss zu halten. Die Nutzer melden einen Mangel oder kümmern sich um manches selbst, und sie schützen allein durch ihre Präsenz besser vor Einbruch und Vandalismus als jeder Wachschutz. Sollte der Eigentümer das Gebäude absichtlich vergammeln lassen, um später abzureißen, dann können die Mieter einiges unternehmen, was außenstehenden Ämtern verwehrt bleibt, etwa die Miete mindern oder einen Mangel auf Kosten des Vermieters selbst beheben. Auf diese Möglichkeiten weist Andrej Holm hin und ergänzt, manchen Mietern müsse erst geholfen werden, sich selbst zu helfen.
Städte und Mieter vereint haben für bewohnte Gebäude genug rechtliche, finanzielle und technische Möglichkeiten, sie vor Abriss zu bewahren. Darum ist kein Gebäude-TÜV nötig: In Deutschland wird äußerst selten ein bewohntes Haus so marode wie die Esso-Häuser – vor allem der Seltenheit des dramatischen Auszugs verdanken die ihre traurige Berühmtheit. Wenn Häuser verfallen, dann sind es in der Regel ungenutzte. Verhindern wir den Leerstand, dann verhindern wir den Abriss! Bei leeren Häusern droht der schleichende Verfall, den auch ein Gebäude-TÜV nur in kleinen Schritten beobachten könnte. Wenn ein Eigentümer sein Wohnhaus oder sein Industriedenkmal zwanzig Jahre lang leerstehen lässt und vielleicht noch mit geöffneten Fenstern und Türen nachhilft, dann schafft er es, fast jedes noch so solide gebaute Haus zu ruinieren.
Um Leerstand und damit Abriss zu verhindern, sollten wir auf Neubau verzichten. Je weniger Konkurrenz durch neue Häuser es gibt, desto besser lassen sich alte Häuser vermarkten und vermieten. Ohne Neubau steigt der Druck, bestehende Bauten neu und anders zu nutzen, und es verbessern sich die finanziellen Möglichkeiten dafür. Man kann nicht über Leerstand reden, ohne über einen Baustopp zu sprechen: Solange wir in schrumpfenden Gegenden weiter Wohnsiedlungen auf die grüne Wiese setzen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn mehr Wohnungen in den Städten leerstehen. Und solange jedes Jahr in Frankfurt am Main 100.000 Quadratmeter Büros neu gebaut werden, wird sich an der Million Quadratmeter leerstehender Büros nicht viel ändern.

In Teil 2 der Reihe geht es darum, wie Leerstand beobachtet und angeprangert wird. Teil 3 schaut zu radikalen Mitteln in den Niederlanden. Ein Überblick zu Leerstands-Beiträgen hier.

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2 Gedanken zu „Leerstand, Teil 1: Brauchen wir einen Gebäude-TÜV?

  1. Ursula Minor

    Auch uns steht ein Abriss d. Häuser bevor. Die GBG Gemeinnützige Baugesellschaft in Mannheim will 4 Blocks abreissen und Luxuswohnungen ( Kaltmiete 800.–€ ) erstellen. Das Gleiche in Mannheim am Adolf-Damaschke-Ring ( siehe Neckarstadtblog.de) Ich habe viel Geld in die Wohnung investiert, bin hier geboren, zur Schule gegangen. Was kann ich vom Vermieter verlangen?, wie kann ich mich wehren?
    Würde mich freuen eine Antwort zu bekommen. Danke im Voraus.
    U. Minor

    Antworten
    1. Bauverbot-Blog

      Liebe Frau Minor,
      erstmal Danke für Ihren Hinweis – die Abrisspläne werden ja auf dem Neckarstadtblog gut beschrieben.
      Zu Ihrer Frage: Leider ist Abriss nicht verboten und eine der wenigen Möglichkeiten für Vermieter, trotz unseres guten Mieterschutzes Menschen zu kündigen. Da Sie Rechtsfragen ansprechen, empfehle ich den Mieterverein Mannheim http://www.mieterverein-mannheim.de, denn die können Sie rechtssicher beraten. Unabhängig davon kann bei solchen Plänen auch der Druck der Straße bzw. der Mieter helfen. Dabei viel Erfolg wünscht
      Daniel Fuhrhop

      Antworten

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