So viel Fläche könnte frei werden, wenn Senioren in kleinere Wohnungen umziehen: Diese Aussage stammt nicht von einem Neubaugegner, sondern von Michael Ries, Vorstand des Immobilienentwicklers Pantera. Nicht ohne Eigeninteresse lässt er sich so zitieren, denn sein Unternehmen entwickelt Apartments, bei denen man verschiedene Hilfen dazukaufen kann, sei es Putzen, Wäschewaschen oder Einkaufen. Dennoch beeindruckt die Zahl von zehn Millionen Quadratmetern.
Deren Grundlage liefert ein Vergleich der durchschnittlichen Wohnfläche von Senioren, die im Eigentum leben, mit denjenigen, die zur Miete wohnen. Das ist freilich ein theoretischer Wert, und doch verrät er die enorme Größe des Potenzials unserer Altbauten. Den Anlass für das Zitat der Firma Pantera bietet deren Pressemitteilung zu einer Umfrage, an der 2.095 Personen teilnehmen. Darin sagen 53 Prozent der Befragten, sie seien bereit, im Alter in eine kleinere Wohnung zu ziehen und zu groß gewordenen Wohnraum aufzugeben. Auch das ist eine theoretische Aussage, also leichter gesagt als getan, und doch beeindruckt auch hier die hohe Zahl. Sie lässt darauf schließen, dass es eine grundsätzliche Bereitschaft zum Verkleinern gibt.
Wohnraum gewinnen
Dass es tatsächlich gelingen kann, die Wohnraumreserve zu heben, daran zweifeln verschiedene Medien, die über die Studie berichten: In der Immobilien Zeitung verweist Robin Göckes auf den mäßigen Erfolg mancher Programme zu Wohnungstausch in Wohnungsgesellschaften. Schon wahr, doch Umzug und Wohnungstausch sind eine komplexe Herausforderung, der man entsprechend vielschichtig begegnen sollte. Darum nenne ich in der Liste der „100 Werkzeuge für Wohnraum in Altbauten“ gleich sieben Instrumente, das zu fördern – und empfehle, mehrere zu kombinieren. Eine Prämie allein wird wenig bewirken, dagegen ist ein Umzug in vielen Schweizer Wohnungsgenossenschaften alltäglich, weil es Belegungsregeln gibt. Zusammen mit Prämien für den Umzug und Beratung kann es klappen.
Statt eines Umzugs das eigene Haus oder die eigene Wohnung zu teilen, sei „oft fast unmöglich“, schreibt Stephan Maass in der „Welt“. So müsse bei Eigentumswohnungen die Eigentümergesellschaft zustimmen, und daran könne es scheitern. Das mag stimmen, doch beim eigenen Haus liegt die Hürde niedriger; das zeigen zum Beispiel die vielfältigen Umbaupläne im österreichischen rehabitat-Projekt (dazu ein Gespräch hier auf dem Blog). Leider fordern die Landesbauordnungen der deutschen Bundesländer meist Neubau-Standards bei Brandschutz oder Stellplätzen, wenn ein Haus geteilt wird. Darum formuliert Werkzeug Nr.70 die Forderung eines „Bestandsschutzes beim Umbau von Altbauten“, angelehnt an die Arge 5 des niedersächsischen Bündnisses für Wohnraum: Nur für neue Bauteile sollten neue Auflagen gelten.
LINKS
Pantera Pressemitteilung vom 8.6.2020
Die Welt Bericht 12.6.2020
Immobilien Zeitung Bericht 12.06.2020
Mehr zu Umzug in der Neuauflage 2019 des Ratgebers „Einfach anders wohnen“.
100 Werkzeuge für Wohnraum in Altbauten in diesem Buch oder im Online-Vortrag.
Noch eine Wohnumfrage:
Im Forschungsprojekt OptiWohn, an dem ich mich beteilige, hat das Wuppertal Institut eine Umfrage zum Wohnen entwickelt, und bittet darum, sich zu beteiligen.
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Lieber Daniel Fuhrhop,
als ich unter der Überschrift die Illustration in Form von grünen und weißen Karos sah, hatte ich sofort folgende Assoziation: Vor 20 Jahren gehörte zur Festplattenpflege beim PC das sog. Defragmentieren zur regelmäßigen Routine. Dabei hat der Rechner in dem entsprechenden Programm seinen gesamten Festplatteninhalt gelesen und neu „einsortiert“ abgespeichert. Ziel des ganzen war, den vorhanden Speicherplatz optimaler (platzsparender) zu nutzen, denn durch Installation/Deinstallation, Dateien erstellen, speichern und löschen entstehen ungenutzte/nicht mehr für neue Dateien nutzbare Bereiche… Sie sind tot und verkleinern damit indirekt die Speicherkapazität. Während des gesamten Prozesses lief ein „Mäusekino“ mit vielen kleinen Karos und man konnte zusehen (wenn man denn die Zeit hatte ;-)) , wie die Festplatte „aufgeräumt“ wurde. Heute braucht man das (glaube ich) nicht mehr zu tun. Speicherplatz ist relativ billig. Wir bauen einfach größere Festplatten oder hängenbei Bedarf externe zusätzlich dran. Wir haben verlernt ressourcenschonend zu denken und zu handeln. Aber genau das brauchen wir wieder in Deutschland (und nicht nur hier): Bestand an Wohnungen/Häusern erfassen und „defragmentieren“, damit aus dem was vorhanden ist, ein Mehrwert entstehen kann.
Zehnmillionen Quadratmeter Wohnraum ist eine beeindruckend große Zahl! Bei der durchschnittlichen Wohnfläche von 45 m² pro Person (in der die Unterbelegung von Wohnraum schon inbegriffen ist) entspricht das Wohnraum für 222.222 Menschen. Gar nicht auszudenken, was möglich ist, wenn Wohnraum intelligent so umgestaltet/umgebaut wird, dass weniger Wohnfläche pro Person erforderlich ist! Die Studiengänge für Architektur, aber auch für Stadtplanung sollten zwingend Fächer beinhalten, die den kreativen Umgang mit Bestandsimmobilien lehren.
Vielen Dank für Ihre unermütliche Arbeit, Ihr Vor- und Weiterdenken, Ihre Lösungsorientiertheit und -ganz wichtig!!!- Ihre Öffentlichkeitsarbeit! Es ist jeder einzelne gefragt umzudenken, sein bisheriges Handeln in Bezug auf eigenen Wohnraum zu hinterfragen.
Herzliche Grüße