Ein Nachtrag von vor der Sommerpause mit einem Text von starken Partnern mit schwachen Argumenten, der nicht überraschen kann: Wen wundert es, wenn sich der Immobilienkonzern Vonovia gegen das Buch „Verbietet das Bauen!“ wendet, ein Unternehmen mit 400.000 Wohnungen, die überwiegend früher Bund oder Ländern und Städten gehörten und dann privatisiert wurden (diese Privatisierung kritisiert das Bauverbot-Buch auf Seite 53 ff.). Und wenig überraschend ist es auch, dass sich mit Paul Lichtenthäler der Pressesprecher der Bundesarchitektenkammer gegen die Bauverbot-Thesen stellt; etwas verwunderlich ist es höchstens, dass er dies in einem Vonovia-Magazin tut und damit den Eindruck einer fragwürdigen Allianz erweckt.
Mit den Scheinargumenten seines Textes geht es wie mit dem Scheinriesen Turtur, dem Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer begegnen: je näher man sie betrachtet, desto kleiner werden sie. So beklagt Lichtenthäler im Vonovia-Magazin, Gegnerschaft zum Neubau zwinge Bauwillige nach draußen, wo sie „Landschaft zersiedeln, mehr Auto fahren und mehr Wohnfläche haben als drinnen“. Schön formuliert, aber genau darum wende ich mich ja gegen den Neubau in den und vor den Städten (zum Beispiel gleich zu Beginn von Kapitel 2 von Verbietet das Bauen!).
Die Mittel wiederum, die das Bauverbot-Buch gegen die regionale Ungleichheit bietet, um vor allem rund um die Boomstädte der Zersiedelung entgegenzuwirken, die passen dann dem Autor im Vonovia-Magazin auch nicht, wobei er genau genommen nur eines einigermaßen vorstellt: ihm missfällt die Forderung, dass wachsende Städte nicht weiter wie bisher für sich werben sollen, sondern stattdessen womöglich sogar ein „Anti-Stadtmarketing“ betreiben, um Zuzügler abzuschrecken. Zugegeben, von den 50 Werkzeugen, die Neubau überflüssig machen, ist die Idee des Anti-Stadtmarketings eine der provokativsten und macht es dadurch Kritikern leicht. Aber auch hier steckt ein ernsthafter Kern darin, nämlich die Forderung, eine andere und weniger auf Wachstum orientierte Wirtschaftsförderung zu betreiben, wie auf diesem Blog hier näher erläutert. Und ein „Anti-Stadtmarketing“ wäre immer noch sinnvoller als das, was die boomende Stadt Frankfurt am Main macht, die wie kaum eine andere mit dem Zuzug vieler Menschen zu kämpfen hat – aber exakt am Tag der Brexit-Entscheidung eine englischsprachige Webseite online schaltete, mit der sie um vor dem Brexit flüchtende Banker warb.
Argumente ernstnehmen
Der Text von Paul Lichtenthäler wendet sich nicht allein gegen das Bauverbot-Buch, sondern er kritisiert „bestens untergebrachte urbane Egoisten“, die das Buch begrüßen und ein Bauprojekt verhindern wollen, „weil es ihren Fernblick aus dem schönen Heim bedroht, den Hundeauslauf um die Ecke oder den urbanen Kleingarten“. Den Vorwurf des Egoismus gegen Bürgerinitiativen habe ich im Willkommensstadt-Buch aufgegriffen und zitiere Gerlinde Görbe von der BI Grüne Schumannstraße in Saarbrücken, die dazu sagt: „Wir Bürgerinitiativen sind wie Feuermelder, wir schlagen Alarm, wenn es brennt“; denn schließlich bekommen Nachbarn am besten mit, wenn Grün in Gefahr gerät, darum engagieren sie sich für ihre Straße und ihr Stadtviertel.
Selbstverständlich reicht Protest allein nicht aus, darum setzen sich auch viele Gegner von Neubauten mit all den Werkzeugen auseinander, die das Bauverbot-Buch als Alternativen schildert. Dass es diese „handfesten Ideen“ gibt, gesteht auch Lichtenthäler ein, aber erst im vorletzten Satz seines Textes, um dann gleich zu beklagen, diese Ideen gingen im Ruf nach Bauverbot unter. Herr Lichtenthäler, wenn Sie es ernst meinen damit, dass „Leerstandskataster, Tauschbörsen, sparsameres Wohnen oder die Aufwertung heute unattraktiver Orte“ handfeste Ideen sind, dann schreiben Sie doch Ihren nächsten Beitrag im Vonovia-Magazin zu einem der 50 Werkzeuge, die Neubau überflüssig machen und dabei helfen, unsere Häuser besser zu nutzen.
Den Vonovia-Text finden Sie online hier.
Mehr Presseresonanz auf meiner Webseite.
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