Konzerthaus-Koller in München

Foto Elbphilharmonie

So eine prominente Kostenexplosion wie die Hamburger Elbphilharmonie hat München bislang nicht zu bieten – aber das kann sich ändern.

Während viele Leute zustimmen, wenn es gegen neue Möbelmärkte oder Shopping-Center geht, vergessen selbst intelligente Menschen zeitweilig das Denken und verfallen in kollektive Hysterie, wenn die Hochkultur betroffen ist: Ein Konzerthaus für München! Und bitteschön keinen Neubau im Gewand des Gasteig-Kulturzentrums, wie er nun geplant ist, sondern einen eigenständigen Neubau! Das fordern gleich reihenweise Autoren der Süddeutschen Zeitung, aber auch Ursula Baus in frei04 oder Nikolaus Bernau in der Berliner Zeitung. Dabei sind sich viele Experten in der Analyse der aktuellen Pläne einig: Beispielhaft schilderte Gottfried Knapp in der Süddeutschen Zeitung, dass die Philharmonie im Gasteig eigentlich exzellenten Bauten wie Scharouns Berliner Philharmonie ähnelt, weil hier wie dort die Anordnung der Publikumsränge an Weinberge erinnert. Nur leider befindet sich das Podium für das Orchester im Münchner Saal „direkt vor der breit ausladenden Rückwand des Saals“ anstatt „in einer seitlich geschlossenen, akustisch günstigen Nische wie in Berlin“. Durch einfache Umbauten könnte man das zumindest teilweise wieder gutmachen und die Akustik verbessern, erklärt Gottfried Knapp – man müsse das Orchesterpodium „durch seitliche Wände einfassen“ und auch sonst durch einige Zwischenwände den Raum verändern. Das wäre in wenigen Monaten gemacht und würde wenig Geld kosten, erheblich weniger, als nun der Abriss und Neubau des Saals hinter den Fassaden. Dieser Saal ist nämlich nur ein Teil des Kulturzentrums mit Stadtbibliothek und Volkshochschule, und aus diesem komplizierten Baugebilde einen Saal rauszureißen und neu einzupflanzen lässt Schlimmes befürchten. Darum leuchtet es ein, den geplanten Alt-Neubau abzulehnen. Doch anstatt nun die einfache Lösung eines Umbaus mit einigen Zwischenwänden zu befürworten, ruft man allerorten nach einem strahlenden Neu-Neubau für ein Konzerthaus. Doch was alle dies Neubau-Vertreter ignorieren, egal ob Vertreter der Hochkultur, Lokalpatrioten oder Architekturliebhaber: das Gasteig-Kulturzentrum mit seiner Philharmonie würde durch einen Neubau an anderer Stelle entwertet.

In dieser Missachtung der Folgen des Neubaus für den vorhandenen Altbau erinnert die Konzerthaus-Debatte an die aktuelle Diskussion zu einem ganz anderen Ort, der aber mit ähnlich emotionalen Argumenten gefordert wird: der Stadion-Neubau für den SC Freiburg. Obwohl das neue Stadion mitten in einer Frischluftschneise entstehen soll, stimmten die Einwohner der Öko-Hauptstadt Freiburg für den Neubau. Nur nebenbei sei erwähnt, dass Stadionbauten schon Vereine wie Alemannia Aachen ruinierten, so dass dort nun die Stadt dem Verein das Stadion abkaufte und zukünftig den Betrieb finanziert. Vor allem aber wundert es, dass man in den umfangreichen Unterlagen der Stadt zur Abstimmung vergeblich nach der Information sucht, was aus dem alten Schwarzwaldstadion werden soll. Ein Artikel in der Badischen Zeitung verrät dann, dass es hier „nur vage Überlegungen“ gebe, man reiße vielleicht Tribünen ab, vielleicht auch nicht. Wenn es stehenbleibt, dann muss die Stadt auf Dauer auch dieses weniger genutzte Stadion finanzieren. So wie in München, wo der FC Bayern in seiner schicken Allianz Arena spielt, und das altehrwürdige Olympiastadion mit 80 Millionen Euro saniert werden muss.

Zurück zur Kultur: Auch eine Sanierung garantiert freilich nicht, dass es billig zugeht. Das betrifft natürlich den nur so bezeichneten „Umbau“ des Gasteig, der tatsächlich ein Neubau der Philharmonie würde, ein Fassadenschwindel. Aber auch das Beispiel der Staatsoper Berlin Unter den Linden zeigt, wie teuer es werden kann, wenn man umbaut. Einer der Gründe ist dort aber genau jener, der auch die Münchner Konzerthaus-Befürworter umtreibt: Es muss scheinbar unbedingt die allerhöchste Klangqualität geben. Viele Millionen kostet es in Berlin allein, die Decke des historischen Staatsoper-Saals vier Meter anzuheben, damit der Nachhall von 1,1 auf 1,6 Sekunden steigt. Bei aller Liebe zur Kultur und zur Hochkultur: Ist es uns das wert? Reicht nicht ein bescheidener Umbau der Münchner Gasteig-Philharmonie, wie Gottfried Knapp ihn schildert, und muss es gleich der Saal von Weltgeltung sein? In der Diskussion scheint genau dieses Prestigedenken mit entscheidend zu sein: Es wurmt die Münchner, dass sie mit ihrer Philharmonie nicht einmal mit Dortmund mithalten können (wogegen sich dieser Leserbrief wehrt). Und wer weiß, vielleicht spielt unbewusst ein ganz anderer Wettstreit eine Rolle – Berlin erlangt mit seiner BER-Baustelle Weltruhm, Hamburg kann die Elbphilharmonie vorweisen, doch München kommt bezüglich Skandalbauten nicht einmal an Stuttgart ran.

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