Im Gespräch mit Harald Welzer auf diesem Blog ging es auch um die Frage, ob eine neue Partei gegründet werden müsste, eine Art „Partei für weniger Wachstum“. Deren Politik verschriebe sich dem Weniger, Langsamer und Besser, und wie das aussehen könnte, beschreibt das Buch „Damit gutes Leben einfacher wird“. Es zeigt die „Perspektiven einer Suffizienzpolitik“, so der Untertitel, und liefert damit die Theorie, während sich Harald Welzer mit seiner Stiftung futurzwei der Praxis widmet und Geschichten des Gelingens erzählt vom weniger Verbrauchen und weniger Verschwenden. Genau dieses suffiziente Verhalten, von dem Welzers Geschichten erzählen, sollte durch die „Suffizienzpolitik“ ermöglicht und gefördert werden, ob mit einer neuen oder den bestehenden Parteien. Für den Weg zu einer Wirtschaft ohne Wachstum gibt dieses Buch den Reiseführer. Der ist trotz des flotten Titels nicht immer einfach zu lesen, aber auf jeden Fall lohnend. Dafür sorgen die Autoren Angelika Zahrnt, lange Vorsitzende des Bund Umwelt Naturschutz Deutschland BUND, und Uwe Schneidewind, Leiter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Beide sind Ökonomen, und so geht es um Wirtschaft und Politik, aber auch um die persönlichen Lebensstile jedes Einzelnen.
Quer durch das Buch berühren sie Themen wie Wohnen und Stadtwandel, Bauen oder Nichtbauen. Das liegt nah, wenn es um den „Rahmen“ unseres Wirtschaftens geht, so der Name eines Kapitels, denn zu ihm gehört die Infrastruktur. Bei der bisherigen Politik hieß das meist, mehr Autobahnen zu bauen. Aber diese auf Wachstum fixierte Politik steigert das Wohlbefinden der Menschen nicht mehr, sondern mindert sie sogar. Wir müssen also statt des Bruttosozialprodukts neue Leitzahlen finden, sagen die Autoren, und nennen etwa das „Bruttoglücksprodukt“ in Bhutan. Zur glücklich machenden Infrastruktur gehören dann nicht mehr Gewerbeparks, sondern Schwimmbäder und Parks.
Uns ist das rechte Maß verlorengegangen, liest man im Kapitel zum „Orientieren“. Neue Leitbilder brauche die Politik, und das wären nach Wolfgang Sachs die vier E: Entschleunigen, Entflechten, Entrümpeln und Entkommerzialisieren. In der Tat, wenn jeder bei sich entrümpeln würde, dann stiege die Wohnfläche pro Person nicht mehr. Und der Konsum als bisheriges Leitbild wird sichtbar, heißt es, wenn die Politik Konsumtempel in die Mitte unserer Städte setzt. Ganz anders als bisher müsste die Politik gestalten, so die Autoren, und nennen beim Wohnen vieles, was falsch läuft, etwa die Zersiedelung und den Bau von Mini-Appartements und Einfamilienhäusern. Etwas unschärfer beschreiben sie, was stattdessen geschehen müsste, und es klingt das Ideal der kompakten und gemischten europäischen Stadt an. Nach Ausführungen zur Mobilität und zur Ernährung geht es darum, wie die Politik den Menschen ermöglichen kann, ein gutes Leben zu führen, von der Gesundheits- über die Arbeitspolitik bis zum Verbraucherschutz. Dieser versuchte bisher vor allem, die Konsumenten vor der Marktmacht der Monopole zu schützen und bei der Suche nach guten Produkten zu helfen. Zukünftig müsste Verbraucherschutz den Autoren zufolge auch darin bestehen, den Verbrauch selbst infrage zu stellen. Eine wunderbare Idee, und so sehe ich schon die Bauberatung vor mir, die den Bauwilligen hilft, ihre Wohnung und ihren Kopf zu entrümpeln, so dass gar nicht mehr Platz nötig ist und nicht neu gebaut wird. Bau- und Wohnungspolitik besteht meines Erachtens zu sehr darin, Neubau als scheinbar einfache Lösung zu fördern, anstatt im Sinne des Buches den Menschen zu ermöglichen, auf weniger Fläche zu wohnen, und das heißt vor allem: zusammenzuwohnen.
Die Politiker haben mit diesem Buch eine lange To-do-Liste bekommen, doch abschließend beschreiben Angelika Zahrnt und Uwe Schneidewind auch, was andere tun können: Die Wirtschaft, zum Beispiel durch Reparieren und Sanieren, durch Teilen und Zusammenlegen. Und die Wissenschaft, wobei die Ökonomen in ihrem eigenen Feld beginnen und einen Wandel der Wirtschaftswissenschaft fordern, weg vom überkommenen Dogma des Wachstums hin zur Forschung über Postwachstum und Schrumpfung. Um daran anzuknüpfen: Jeder sollte bei sich selbst anfangen, den Wandel zu fördern, sei es privat oder im Beruf. Was wir dagegen von der Politik fordern können, das steht in diesem Buch.
Wem der Text gefallen hat, der kann gern flattern oder mir auf anderen Wegen helfen, den Stadtwandel in Zeiten des Klimawandels zu ergründen.
Buch Uwe Schneidewind und Angelika Zahrnt: Damit gutes Leben einfacher wird. Perspektiven einer Suffizienzpolitik. Oekom Verlag. 175 Seiten, Paperback. 14,95 €. ISBN 978-3-86581-441-8
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Links Angelika Zahrnt war lange beim Bund Umwelt Naturschutz Deutschland BUND. Sie gab ein umfangreicheres Buch zur Postwachstumsgesellschaft mit heraus, zu dem es begleitend den Blog Postwachstum gibt.
Uwe Schneidewind leitet das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Er schrieb ein umfangreicheres Buch zur nachhaltigen oder auch transformativen Wissenschaft mit, zu dem es den Blog Nachhaltige Wissenschaft gibt. Links auch in der Blogroll.
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