Ein Text aus Anlass der Buchvorstellung „Verbietet das Bauen!“ am 12.01. in München (siehe unten).
Arnulfpark München: Wohnhäuser links, Bürohäuser rechts, dazwischen ein Streifen Grün – eine lebendige Stadt sieht anders aus. Münchner Mieten von zwanzig Euro und Kaufpreise von sechstausend Euro je Quadratmeter strafen all jene Lügen, die behaupten, Neubau sei sozial. Und wie wenig ökologisch Bauen ist, zeigen nicht nur die zugebauten ehemaligen Bahnflächen beim Arnulfpark und am Hirschgarten, sondern auch die 85 Hektar Baugebiet in München-Freiham exakt am Stadtrand. Doch trotz dieser abschreckenden Beispiele: Käme Bayern wirklich ohne Neubau aus angesichts des Zustroms neuer Bewohner und Firmen?
Aber nicht ganz Bayern boomt, sondern vor allem die Region München und einige Großstädte wie Regensburg, Ingolstadt und Nürnberg; und sogar in diesen Boomstädten ist noch Platz: So stehen in München knapp eine Million Quadratmeter Büros leer! Nicht weit von den überfüllten Städten finden sich „Bayerns Bruchbuden“, so nannte die Journalistin Katja Auer leerstehende Wohnungen und Häuser in den fränkischen Randregionen. Hof und Schweinfurt verlieren Einwohner, während nur gut hundert Kilometer entfernt Nürnberg wächst. Und von München aus sind es nur hundertzwanzig Kilometer bis zur nächstgelegenen Schrumpfregion, dem schwäbischen Günzburg. Bauwut hier, Bruchbuden dort, was kann man dagegen tun? Eine Antwort: Den Boom bremsen, aber die Schwachen stärken. Beides gleichzeitig beabsichtigt Bayerns Heimatminister Markus Söder und verlegt mehr als fünfzig Ämtern und Behörden von Großstädten in schwächelnde Orte.
Boom bremsen
Derzeit wird der Ansturm auf die ohnehin beliebten Städte sogar noch verstärkt. So gibt selbst das übervolle München nach wie vor Geld aus für Marketing und Wirtschaftsförderung, um dann darüber zu klagen, dass die Menschen tatsächlich in die Stadt kommen. Zeit für einen radikalen Wandel: Nicht mehr für München werben, sondern vom Zuzug abschrecken. Am
besten wäre es, keine neuen Unternehmen in die überfüllte Stadt zu locken, die dann weitere Mitarbeiter mitbringen. Das Mindeste wäre, nichts mehr dafür auszugeben. Stattdessen könnten wir Wirtschaftsförderung neu erfinden, wie hier beschrieben. Oder aber wir stecken das Geld stattdessen in Werbung für weniger beliebte Orte.
Schwache stärken
Viele Menschen ziehen schon deswegen nicht in bestimmte Städte, weil sie diese nicht kennen. Wie sich das ändern lässt, zeigt das „Probewohnen“ in Görlitz: Bewerber dürfen eine Woche kostenlos in der Stadt wohnen. Siebenhundert Personen bewarben sich bei der letzten Aktion 2008 – 2010, und 2015 wurde das Probewohnen neu aufgelegt. Bis zum Frühjahr 2016 wohnen nun in drei Wohnungen Gäste je eine Woche in Görlitz, und wer weiß, ob nicht mancher die Stadt kennen- und liebenlernt und auf Dauer dorthin zieht. Das könnte ein Vorbild für Bayern sein – eine Woche Probewohnen in Schweinfurt bietet die Gelegenheit, Vorurteile zu beseitigen
und die Stadt zu entdecken, die schönen alten Häuser, die Kunsthalle im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad sowie das Museum Georg Schäfer mit seiner spektakulären Treppenanlage. Zugegeben, das allein reicht nicht aus. Wir müssten auch die günstigen Mieten der bayrischen Randregionen bewerben, die im harten Kontrast stehen zu den Spitzenpreisen der Boomstädte. Und schöner als Münchner Neubauten sind die Altbauten von Hof und Schweinfurt allemal.
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Buchvorstellung in München:
Dienstag, 12. Januar, 19.00 Uhr, Buchhandlung Lost Weekend, Schellingstraße 3. Man kann (aber muss nicht) sich in Facebook zur Veranstaltung anmelden.
Ein Überblick meiner Veranstaltungen auf der Webseite.
Wie man regionale Ungleichheit bekämpfen kann, dafür schildert das Buch „Verbietet das Bauen!“ Beispiele und Ideen. Unter den 50 Werkzeugen, die Neubau überflüssig machen, geht es 2 mal darum, den Boom zu bremsen, 4 mal darum, schwache Regionen zu stärken, und 2 mal um die Verbindung zwischen beiden (Werkzeuge 43 und 44).