Der Mythos des unschädlichen Centers

Warum auch Factory-Outlet-Center den Innenstädten schaden

In der jüngsten „Planerin“-Ausgabe zu Planungsmythen sollte eigentlich mit falschen Legenden aufgeräumt werden, doch stattdessen tischten die Autoren Kerstin Langmaack und Martin Linne einen neuen Mythos auf: den vom unschädlichen Factory-Outlet-Center. Am Beispiel des Designer-Outlet-Centers Neumünster behaupteten sie zum einen, „die Geschäfte in der Innenstadt sollten sogar Zuwächse verzeichnen“. Zum anderen schreiben sie sinngemäß, weil der Besuch in einem solchen Shopping-Center „zum Erlebnis stilisiert“ werde, handele es sich bei den Einkäufern dort um Touristen und darum könnten „Shopping-Zentren nicht als Konkurrenz von Innenstädten angesehen werden“. Dieses zweite Argument erscheint völlig

Grafik überschneidende Einzugsgebiete Shopping-Center

Jedes neue Center (A und B), und sei es ein Factory-Outlet-Center, schadet der Innenstadt (C). Zwar verliert diese durch ein einzelnes der Center womöglich „nur“ 5% Umsatz, aber in der Summe mehrerer Center dann doch über 10%.

unlogisch, denn wenn jemand ein Hemd als Tourist kauft, dann hat er trotzdem aus dem gleichen Portemonnaie dafür Geld ausgegeben wie als herkömmlicher Einkäufer! Anders gesagt, wenn dem örtlichen Einzelhandel Geld weggenommen wird, dann spielen die Motive des Einkäufers für die betroffenen Händler keine Rolle.
Allerdings bestreiten die Autoren ja, dass Neumünsters Innenstadt gelitten hat, und zitieren den Oberbürgermeister mit der Aussage, seit der Eröffnung des Outlet-Centers hätten „viele Einzelhändler und Gastronomen in der Stadt neue Kunden gewonnen“. Mag sein, aber zugleich haben sie andere Kunden verloren, und es fehlt trotz aller Marketingsprüche des OB oder des Centerbetreibers jeglicher Beleg dafür, dass unterm Strich die Innenstadt profitierte. Im Gegenteil: Bereits in der Planungsphase wurde in der Begründung für den Bebauungsplan exakt vorhergesagt, wieviel Millionen Euro welcher bestehenden Handelslage zukünftig fehlen werden. Falls dank vieler Touristen die Innenstadt weniger verloren haben sollte als zu befürchten war, dann klagt dennoch der große alteingesessene Modehändler Nortex ein Jahr nach der Center-Eröffnung über „Umsatzrückgang im hohen einstelligen Bereich“ (Pressemitteilung 20.9.2013). Es wäre schließlich ein Wunder, wenn die über 60 Millionen Euro Umsatz im Outlet-Center nicht auch vom örtlichen Handel abgeworben wären.
Der Irrtum der Autoren weist auf ein grundsätzliches Problem bei der Bewertung von Factory-Outlet-Centern hin, die gern so tun, als handele es sich bei ihnen um etwas ganz anderes als um weitere Shopping-Center. In der Tat locken nämlich die FOCs Einkaufstouristen aus einem großen Einzugsgebiet, und darum sieht man die Folgen ihrer Konkurrenz schlechter: Sie nehmen vielen Händlern 5% vom Umsatz weg und nicht vergleichsweise weniger Händlern 10%. Beide Fälle schaden aber den Innenstädten, nur eben schrittweise. Ein erstes FOC in der Stadt nimmt 5% vom Umsatz, ein neues Center in der Nachbarstadt lässt weitere 5% wegbrechen, ein drittes Center ebenfalls, und so summieren sich die Verluste, sorgen für Leerstände und zerstören den klassischen Handel. Da diese Argumentation genauso für klassische Shopping-Center gilt, sollten gar keine neuen Center gebaut werden. In Neumünster übrigens wird in Kürze mit dem Bau der „Holsten-Galerie“ begonnen mit 22.800 Quadratmetern Verkaufsfläche, die anderen Händlern jährlich rund 90 Millionen Euro wegnehmen werden.

Dieser Text erschien in Nr. 1-2014 der Zeitschrift „PlanerIn“ der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung SRL.

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