Zum Beginn des neuen Jahres könnte man auf das vergangene Jahr zurückblicken, doch das gab es auf „Verbietet das Bauen“ bereits vor kurzem zum ersten Geburtstag des Blogs – hinzuzufügen wäre, dass sich die Zahl der Seitenaufrufe von knapp viertausend im Januar auf vierzehntausend im Dezember steigerte. Zu Beginn des Jahres 2015 kann man also stattdessen gleich vier Jahrzehnte zurückblicken und ein Jubiläum würdigen: Zum vierzigsten mal jährt sich das Europäische Denkmalschutzjahr 1975. Einerseits ein Grund zum Feiern, denn mit diesem Ereignis verbindet man im Allgemeinen eine große Wende im Denken, eine Abkehr von Kahlschlagsanierung und eine Hinwendung zur Wertschätzung des bereits Gebauten. Unter anderem blieben uns von 1975 bessere Gesetze zum Schutz von Denkmälern und das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz.
Andererseits kann man sich fragen, wie nachhaltig diese Wende zum Denkmalschutz wirklich war: Vierzig Jahre später erleben wir wieder Kahlschlag-„Sanierung“ in Duisburg Bruckhausen. Wir sehen massiven Abriss im Osten, der in den letzten zwei Jahrzehnten mehrere hunderttausend Wohnungen zerstörte, darunter viele schlichte Plattenbauten, aber auch einige Perlen der Baugeschichte wie das Berliner Ahornblatt. Während von einfachen Wohnsiedlungen bis zu denkmalgeschützten Häusern abgerissen wird, baut man gleichzeitig wieder neu, oft am gleichen Ort als „Ersatzneubau“. Scheinbar hat sich seit 1975 nicht genug geändert – wer zählt die Häuser, die seitdem verfielen, manchmal mit dem Ziel, Platz für Neubau zu schaffen? Der Altbau steht in harter Konkurrenz zum Neubau, sie konkurrieren um Zeit und Geld, um Platz und Engagement. Darum werden wir nur weiterkommen, wenn wir mit einem Verbot des Bauens den bestehenden Häusern bessere Chancen geben.
Auch mit dieser radikalen Haltung können wir an die 1970er Jahre anknüpfen, etwa an die ersten Hausbesetzer. 1971 besetzten vor allem junge Leute – teils ohne eigene Unterkunft – das denkmalgeschützte und leerstehende Schwesternwohnhaus des Bethanien-Krankenhauses. Zukünftig nannte es sich Georg von Rauch Haus, und als Erinnerung sei im Folgenden das berühmte Lied der Ton Steine Scherben eingebunden, unterlegt mit neueren Bildern. Zuvor aber zwei Bemerkungen:
– Die im Lied zu hörende aggressive Wortwahl gegen Polizisten war mir sogar als „linker“ Heranwachsender in den Siebziger Jahren suspekt. Nehmen wir es heute als zeithistorisches Dokument.
– Das Georg von Rauch Haus wurde nicht nur zum Symbol für viele Hausbesetzer, sondern es setzt auch ein Zeichen für gelungene Wiederbelebung eines alten Hauses: Bis heute besteht es als Jugend- und Kulturzentrum.
Hier also das Lied mit Film von Youtube:
Zum Abschluss sei ausnahmsweise nicht allein dazu ermuntert, die Arbeit am Bauverbot-Blog zu unterstützen, sondern auf einen Spendenaufruf des Gentrification Blog von Andrej Holm hingewiesen: Er hatte in einem Beitrag die Geschichte eines Hauses in der Berliner Linienstraße 118 geschildert, dessen Wert sich innerhalb von sechzehn Jahren um das Zehnfache gesteigert hatte – mit Millionengewinnen für die wechselnden Eigentümer, aber entsprechend gestiegenen Mieten, die viele der einstigen Bewohner vertrieben. Leider aber erhielt Andrej Holm nun eine Abmahnung vom Rechtsanwalt Robert Golz aus der Kanzlei Härting, der für die David Borck Immobiliengesellschaft darlegte, diese sei nicht Eigentümerin des Grundstücks, sondern übernehme lediglich die Vermittlung des Verkaufs der dortigen Eigentumswohnungen. Weil dieser Umstand nicht ganz zutreffend im Gentrification Blog gestanden hatte – oder sollte man etwa schreiben, weil sich damit ein Anlass bot, einen kritischen Text abzustrafen? – muss Andrej Holm nun Abmahngebühren von über 800 Euro zahlen. Wer sich mit ihm solidarisch zeigten möchte, kann hier Näheres lesen.