Das historische Gedächtnis von „Wohnen für Hilfe“ gesichert

Archiv Wfh und Banner

Aus der Gründungszeit Anfang der 1990er Jahre stammt dieses handgemalte Banner mit der anfänglichen Bezeichnung des inzwischen als „Wohnen für Hilfe“ bekannten Modells. Darunter die beiden Kisten mit Dokumenten. Fotos: Daniel Fuhrhop.

Wenn man von einem „Archiv“ spricht, entsteht im Kopf vielleicht ein Bild von langen Fluren voll von Dokumenten, und hier geht es um weniger, aber doch um sehr viel: die Unterlagen aus der Gründungszeit von „Wohnen für Hilfe“ aus den 1990er Jahren habe ich sichern können. Um die Bedeutung dieser Aktion zu erklären, muss man etwas ausholen: Seit Jahren beschäftige ich mich mit verschiedenen Formen, Wohnraum besser zu nutzen. Dazu zählt seit den ersten Texten in 2013 „Wohnen für Hilfe“, wo meist junge hilfsbereite Menschen zu Älteren ziehen, die genug Platz haben; anstelle einer normalen Untermiete tritt Hilfe beim Einkaufen oder im Garten, oder man verbringt einfach etwas Zeit zusammen. Genauer beschrieben wird das zum Beispiel im „Raumwunder Nr. 29“ im Ratgeber Einfach anders wohnen. Inzwischen gibt es in Deutschland etwa 35 Vermittlungsstellen von „Wohnen für Hilfe“, oft an Hochschulwerken, bei sozialen Trägern oder Kommunen (eine Liste findet sich im Serviceteil des Ratgebers oder hier).

Als freier Autor hatte ich bereits zu verschiedenen Vermittlungsstellen Kontakt aufgenommen, manche in Zeitungstexten zitiert, oder sie waren Gäste bei Vorträgen und Buchvorstellungen von „Einfach anders wohnen“, so die Vermittlerinnen aus Erlangen und Kiel. Seit 2019 widme ich mich diesem Thema nun intensiver, durch die Beteiligung am Forschungsprojekt OptiWohn mit einer Stelle an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Mein Schwerpunkt liegt in der Arbeit der Vermittlungsstellen mit ihren Erfolgsfaktoren und Hindernissen, um es zukünftigen Gründungen einfacher zu machen und um die ökologische und ökonomische Bedeutung des Modells zu klären.

Für diese Forschung fuhr ich im März 2019 nach Brüssel zur internationalen Konferenz, dem world congress von homeshare international („Wohnen für Hilfe“ nennt sich international „homeshare“). Dort hatte ich die Freude, Anne-Lotte Kreickemeier kennenzulernen: Sie hat Anfang der 1990er Jahre „Wohnen für Hilfe“ in Deutschland eingeführt, damals als Professorin in Darmstadt, und sie hat die ersten Gründungen wie die in München beraten und begleitet. Bei unserer Unterhaltung auf der Konferenz schilderte sie mir nun das Problem, was aus ihrem Archiv der Gründungszeit werden sollte, denn sie mache sich Sorgen, dass diese Dokumente verlorengehen könnten. Ich versprach, mich darum zu kümmern, sprach in den folgenden Monaten mit einigen der langjährig arbeitenden Vermittlungsstellen in Deutschland und fand dort einen Aufbewahrungsort (zumindest als erste Lösung).

Im Oktober war es nun soweit: Anlässlich eines Projekttreffens von OptiWohn in Darmstadt half mir Arne Steffen von werk.um-Architekten (Danke an dieser Stelle!) dabei, die Unterlagen von Frau Professor Kreickemeier abzuholen und sie vorerst in seinem Architekturbüro zu sichern. Es handelt sich um zwei Kisten mit Aktenordnern und Stehordnern, mit Studienarbeiten und Analysen vor allem aus den 1990er Jahren, mit Schriftverkehr aus der Gründungsphase von „Wohnen für Hilfe“ in Deutschland und aus den frühen Jahren des internationalen Netzwerks, und einigen Erinnerungsstücken wie einem handgemalten Banner, damals noch mit der Bezeichnung „Wohnraum gegen Hilfe“. Im Rahmen meiner Forschungsarbeit werde ich die Unterlagen sichten und teilweise auswerten und dafür sorgen, dass dieses historische Gedächtnis von „Wohnen für Hilfe“ bewahrt wird.

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Zum Thema: Zur Arbeit der Wohnbuddy-Vermittlungsstelle in Österreich gibt es ein Gespräch mit Marlene Welzl auf diesem Blog.

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Kisten Archiv

Zwei Kisten mit Aktenordnern, Schriftverkehr, Studien und Erinnerungsstücken.

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