Eigentlich wollte die Stadt Oldenburg nur die Anwohner informieren, wie sie zukünftig Flüchtlinge in einer Turnhalle unterbringt. Aber was die Besucher dort sahen, erschreckte sie derart, dass sogar die Lokalzeitung ihre übliche Zurückhaltung aufgab: „Ein Labyrinth aus dünnen Kulissenwänden“ hieß es über die Trennwände, die den Flüchtlingen etwas privaten Raum geben sollten. „Hellhörig“ und „wacklig“, sagten die Anwohner dazu laut Nord-West-Zeitung, sogar „menschenunwürdig“ hieß es.
Ähnlich wie bei diesem Oldenburger Beispiel herrscht in vielen Städten „das reinste Chaos“ angesichts der stark steigenden Zahlen von Flüchtlingen, schrieb Jutta Ochs in einem ausführlichen Beitrag in der Immobilien Zeitung. Wie bei anderen Raumfragen sieht auch hier mancher die Lösung im Neubau, und da flattert aus der aktuellen Ausgabe des Magazins Die Wohnungswirtschaft ein Prospekt der Firma Alho für „modulare Gebäude“: „Mehr als eine Übergangslösung“ seien die auf solche Weise gebauten Asylheime, liest man auf deren Webseite. Und tatsächlich wirken diese Provisorien im Vergleich zu überfüllten Turnhallen ganz passabel. Doch einige Provisorien stehen Jahrzehnte, und wie werden dann die schnell gebauten Notunterkünfte aussehen? Besser also, wenn bereits bestehende Häuser umgenutzt werden.
Einfach ist das nicht, wie Christine Rebhahn in einem anschaulichen Artikel beschreibt, der ebenfalls aus der Immobilien Zeitung stammt. Sie berichtet unter anderem vom Eigentümer Willi Wittenzellner, der in Niederbayern drei ehemalige Pensionen als Unterkünfte für Flüchtlinge vermietet. Er halte sich nicht an die Leitlinien des Sozialministeriums, die sieben Quadratmeter pro Person vorsehen, sondern räume je zwölf bis vierzehn Quadratmeter ein. Schließlich handele es sich teilweise um traumatisierte Menschen, die auch Ruhe bräuchten. Außerdem bilde er Wohngruppen mit acht bis zehn Personen, möglichst einer Nationalität.
Wohngemeinschaft sucht Flüchtling
Platz genug müsste es eigentlich überall dort geben, wo ohnehin Wohnungen leerstehen. Schlagzeilen machte im vorigen Herbst der Oberbürgermeister von Goslar, Oliver Junk: Er schlug vor, seine schrumpfende Stadt könnte mehr Flüchtlinge aufnehmen als geplant, damit nicht wenige Kilometer entfernt in Hannover neu gebaut werden muss. Einige Monate später zeigte sich, dass es nicht einfach ist, diese Idee umzusetzen.
Erste Erfolge kann dagegen eine Initiative vorweisen, die auf einer niedrigeren Ebene ansetzt: bei einzelnen Wohnungen. „Wohngemeinschaft sucht Flüchtling“ könnte man das Projekt
nennen, bei dem sich über die Online-Plattform „Flüchtlinge willkommen“ diejenigen melden, die einen Raum in ihrer WG anbieten. Das tun nicht allein studentische Wohngruppen, sondern verschiedenste Personen. Seit dem Projektstart im November haben sich bis Anfang Mai 2015 insgesamt 780 WGs und andere angemeldet, und über 500 geflüchtete Menschen meldeten sich als Suchende. Bisher 34 mal wurde ein Flüchtling in eine Wohngemeinschaft vermittelt. Einerseits ist das ein Erfolg. Andererseits zeigt das angesichts der viel größeren Zahl von möglichen Paarungen, wie schwierig es im Detail ist, dass alle zueinander finden – das kleine Team von „Flüchtlinge willkommen“ muss viele Dinge mit den Wohngemeinschaften und den Flüchtlingen klären. Auch Geld spielt dabei eine Rolle, und das Web-Portal dient ebenfalls dazu, dass Personen über kleine und große Spenden mithelfen, die WG-Zimmer zu finanzieren sowie das gesamte Projekt zu ermöglichen.
Im Idealfall findet dann ein Flüchtling nicht nur einen Raum, sondern die Wohngemeinschaft hilft ihm dabei, sich in Deutschland zurechtzufinden. Das erinnert an die „Wohnen gegen Hilfe“-Projekte, die in einem der ersten Artikel dieses Blogs erwähnt wurden: Studierende oder Auszubildende ziehen als Untermieter zu meist älteren Menschen, zahlen aber keine volle Miete, sondern helfen mit – beim Einkaufen oder beim Kochen. Das wichtigste dabei ist ebenso wie bei „Flüchtlinge willkommen“, dass Menschen zueinander finden. Doch gleichzeitig nutzen wir durch das Zusammenrücken unsere Häuser besser aus.
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