Bauüberfluss 2018: Es wurden rechnerisch 172.400 Wohnungen zuviel gebaut

Grafik zum Bauüberfluss

Der Bauüberfluss 2018 beträgt rechnerisch 172.400 Wohnungen – sie wurden im letzten Jahr zuviel gebaut. Den Begriff Bauüberfluss definiere ich so: Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes stieg die Zahl der Einwohner Deutschlands um 227.000 auf über 83 Millionen (Statistisches Bundesamt). Da ein Haushalt im Durchschnitt von 2,0 Personen bewohnt wird, hätten für die zusätzlichen Einwohner nur 113.500 Wohnungen neu gebaut werden müssen. Tatsächlich aber gab es im letzten Jahr Baufertigstellungen von 285.900 Wohnungen (ebenfalls Statistisches Bundesamt) – den über den rechnerischen Bedarf hinaus entstandenen Neubau von weiteren 172.400 Wohnungen bezeichne ich als Bauüberfluss.

Zwar liegen die Zahlen des Wohnungsbestands für Ende 2018 noch nicht vor, bei denen auch der Abriss berücksichtigt wird. Dieser lag 2017 bei etwa 20.000 Wohnungen, so dass inklusive Ersatz abgerissener Wohnungen selbst der korrigierte Bauüberfluss im vorigen Jahr bei über 150.000 läge (Nachtrag 9. August 2019: die Zahl von 20.000 abgerissenen Wohnungen stammt zwar vom Statistischen Bundesamt, ist aber zu niedrig , denn die Abrisse („Wohnungsabgänge“) werden je nach Bundesland nicht alle erfasst. Aber selbst wenn doppelt oder sogar dreimal so viel abgerissen worden sein sollte, ändert das nichts am Bauüberschuss, nur an seiner Höhe). Entgegen vielfach verbreiteter Meldungen wurden also rechnerisch nicht zu wenig Wohnungen gebaut, sondern im Gegenteil etwa 150.000 zuviel. Diese zuviel gebauten Wohnungen sind eine ökologische und ökonomische Katastrophe: Der einmalige Energieaufwand, um neu zu bauen, liegt bei modernen Häusern oft höher als die gesamte Heizenergie, die in deren Lebenszeit von fünfzig und mehr Jahren erforderlich sein wird. Massiver Neubau bedeutet massive Klimazerstörung.

Genug gebaut in Berlin

Sogar in Berlin wurden rechnerisch 2018 genug Wohnungen gebaut, denn 31.300 zusätzliche Einwohner hätten 15.650 Wohnungen gebraucht – gebaut wurden 16.706 Wohnungen.

Freilich gibt es trotz der rechnerisch zuviel gebauten Wohnungen in vielen Großstädten Wohnungsmangel und Wohnungssuchende. Dies bedeutet aber keineswegs, dass mehr gebaut werden müsse, denn der Bauüberfluss von 172.400 Wohnungen 2018 beweist, dass Neubau die Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht löst. Die Ursachen dafür, dass trotz der Bauwut Wohnungen fehlen, liegen darin, dass wir anders und anderswo wohnen als früher, also liegt dort auch die Lösung. Notwendig ist darum zum einen die Bekämpfung der regionalen Ungleichheit, indem der Boom in Boomstädten nicht mehr angeheizt wird und unterschätzte Städte gezielt gefördert werden, etwa nach dem Konzept von Willkommensstädten. Zum anderen gilt es dem Trend entgegenzuwirken, dass die Wohnfläche pro Person stetig steigt und immer mehr Menschen allein in großen Wohnungen und Häusern wohnen.  Gegenmittel dafür sind bekannt: Den Umbau zu Einliegerwohnungen fördern sowie deren Vermietung, die Untermiete (etwa nach dem Modell „Wohnen für Hilfe“) anregen sowie Umzugswilligen helfen. Wenn wir all diese Möglichkeiten konsequent nutzen, wäre sogar keinerlei Neubau mehr nötig. Handlungsleitfäden für mehr Wohnraum ohne Neubau findet das Heimatministerium im Buch „Verbietet das Bauen“ mit 50 Werkzeugen, die Neubau überflüssig machen, sowie im Ratgeber „Einfach anders wohnen“ mit 66 Raumwundern zum Platzsparen und Zusammenwohnen.

 

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4 Gedanken zu „Bauüberfluss 2018: Es wurden rechnerisch 172.400 Wohnungen zuviel gebaut

  1. Benedikt

    Hallo Zusammen,
    vielleicht sollte man darüber nachdenken die Mietpreisbremse zu vergessen, die Marktwirtschaft regelt es dann von alleine, in günstigeren Gegenden siedeln sich mehr Leute an, für Kleinindustrien gibt es wieder Arbeitskräfte, in den Ortschaften siedeln sich wieder kleine Lebensmittelgeschäfte an, ÖPNV wird wieder stärker genutzt.

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    1. Bauverbotler Beitragsautor

      Guten Tag Benedikt,
      zwar weiß ich die Absicht zu schätzen, regionale Ungleichheit zu senken, trotzdem halte ich das nicht für den richtigen Weg: Wie die Marktwirtschaft die Dinge in boomenden Großstädten regelt, das erfahren viele Menschen auf leidvolle Weise – Spekulation führt dazu, dass sich Reiche eine Zweit- und Drittwohnung zulegen, also weniger Menschen als vorher in den teuersten Gegenden wohnen, so dass dann mitten in den Boomstädten kleine Geschäfte zumachen. Währenddessen werden diejenigen mit kleinerem Portemonnaie vertrieben, aber sie ziehen nicht unbedingt jene schrumpfenden Regionen, die Zuwanderung nötig hätten, sondern in Häuser mit niedrigem Standard oder schlechter Verkehrsanbindung. Weil es für die Bewohnerinnen einer teurer werdenden Großstadt keine einfache Alternative gibt (jede Stadt gibt es nur einmal), halte ich Mietpreisbremsen für ein vertretbares Mittel, die Ortsansässigen zu schützen. Um unterschätzte Regionen zu stärken, gibt es andere Mittel (siehe zum Beispiel meinen Text „Statt Bauen: Platz schaffen in alten Häusern“ in der Nürnberger Zeitung, Link auf der Webseite http://www.daniel-fuhrhop.de/texte/). Viele Grüße, Daniel Fuhrhop

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  2. Ralf

    Hallo Herr Fuhrhop,

    wie kommen Sie zu der Annahme, daß durchschnittlich Zwei-Personen-Haushalte in die Großstädte ziehen? In meinem Wohnort Düsseldorf, einer sog. A-Region, sind über 50% Single-Haushalte – in anderen A-Regionen sieht es womöglich nicht anders aus.
    A-Regionen ziehen Berufstätige an, nicht selten solche mit einem ersten Arbeitsverhältnis – und diese sind zumeist Singles.

    Haben Sie also Daten, die Ihre Annahme unterfüttert?

    In Düsseldorf liegt bspw. der Anteil an schulpflichtigen Kindern an der Gesamtbevölkerung bei unter 10%.

    Das Zweitwohnsitzproblem sehe ich auch als solches, und als privater Vermieter (und selbst Mieter) von Wohnungen sehe ich ebenso wie Sie das Problem, daß die notwendige Verdichtung in den Städten sowohl behördlich wie auch von den Bürgern (nach dem St.-Florians-Prinzip) massiv behindert wird.

    Meine Nachfrage betrifft nur Ihre Prämissen, die ich nicht so teile.

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    1. Bauverbotler Beitragsautor

      Guten Tag nach Düsseldorf,

      die durchschnittliche Haushaltsgröße beträgt laut Statistischem Bundesamt recht exakt 2,0 im Jahr 2015 (mit Prognose auf 1,97 in 2020), wie in folgender Quelle zu sehen:
      https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Haushalte-Familien/Tabellen/vorausberechnung-haushalte.html

      Nun weichen einzelne Regionen oder Gruppen selbstverständlich vom Durchschnitt ab. Im Beitrag geht es nicht darum, wie die Gesamtverteilung in den Großstädten ist, und zweifellos ist dort der Anteil von Ein-Personen-Haushalten besonders hoch. Aber für die Berechnung des Bauüberflusses entscheidend ist die Frage, für wieviel Menschen Platz ist in den 285.000 Wohnungen, die im Jahr 2018 fertiggestellt wurden, und ich gehe dabei eben vom bundesweiten Durchschnitt aus. Man kann nun mutmaßen, ob die Erstbezieher-Haushalte neu gebauter Wohnungen eher größer oder kleiner sind als der Durchschnitt. Da zu den Erstbeziehern von Neubauwohnungen sicherlich viele junge Familien mit Kindern gehören, bezweifle ich, dass der Durchschnitt dort niedriger liegt.

      Es grüßt
      Daniel Fuhrhop

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