Preisträger beim Wettbewerb „Berlin plant immer noch“

Foto Preisübergabe

Übergabe des Preises durch die beiden Ausstellungsmacherinnen Nicola von Albrecht (vorn) und Rosa Epple am 26. Juni im Museum der Dinge. Foto c Isa Hönle.

Berlin, Museum der Dinge, 26. Juni 2017: Preis für Daniel Fuhrhop beim Ideenwettbewerb „Berlin plant immer noch“ für den Text „65 Quadratmeter für zwei, zehn und hundert Menschen“.

Begleitend zur Ausstellung „Wohnkonzepte für Berlin nach 1945“ hatte das Museum der Dinge an einen Wettbewerb von 1946 angeknüpft. Damals ging es um Ideen für neues Wohnen „in der kriegszerstörten Stadt“, schreibt das Museum, und fährt fort: „Für vier Personen werden 65qm Wohnfläche veranschlagt. Rund siebzig Jahre später kämpft die Stadt mit heutigen Problemen, wie dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum oder der menschenunwürdigen Unterbringung von Geflüchteten.
Unser Wettbewerb 2017 fragt: Was bedeutet zeitgemäßes Wohnen auf 65qm heute? Wie viele Personen können sich diese Fläche teilen? Welche Modelle des Zusammenlebens kann es dafür geben? Welche Grundrisse, Möbel oder Vereinbarungen brauchen diese neuen Wohnkonzepte?“

Der prämierte Text (unten abgedruckt) von Daniel Fuhrhop zeigt, wie zwei Menschen auf 65 Quadratmetern gut wohnen können – wenn sie Räume teilen, wie in Kapitel 10 seines Buches Verbietet das Bauen! geschildert.

Preis Nahaufnahme

Symbolisch für die Wohnfrage 1946 steht als Preis ein Modell eines Stuhles von Herbert Hirche, damals verwendet in der Ausstellung „Berlin plant“ – heute als Modell im Nachbau von André Kryger, zuständig für Modellbau an der Marcel Breuer Schule Berlin. Außerdem im Hintergrund Material zur Ausstellung „gern modern“ sowie eine Originalausgabe des Magazins „die wohnberatung“ von 1964.

Die Jury tagte: Rose Epple, Grafikerin, Szenografin und Co-Kuratorin der DIY Wohnberatungsstelle im Rahmen der Ausstellung gern modern?
Nicola von Albrecht, Kunsthistorikerin, Kuratorin der Ausstellung gern modern?
Renate Flagmeier, Kunstwissenschaftlerin, Leitende Kuratorin des Werkbundarchiv – Museum der Dinge
Matze Görig, Künstler, Leiter des Projekts Casa Mia/Weltstadt, JugendKunst- und Kulturhaus Schlesische 27
Hannah Seifert, Kunsthistorikerin, Auszubildende Technische Assistentin für Produktdesign an der marcel-breuer-schule, OSZ für Glastechnik, Holztechnik und Design

Die Gewinner wurden zur Finissage am 26. Juni 2017 bekannt gegeben.

Ein Blick zurück: Fast auf den Tag genau ein Jahr vorher, am 25. Juni 2016, errang Daniel Fuhrhop den 1. Platz beim IREBS-Ideenpreis 2016 „Immobilien für die alternde Gesellschaft“ mit seinem Text zum „Willkommensdorf – wo Flüchtlinge wohnen und das Dorf lebendig wird“ (hier mehr zur IREBS-Preisverleihung, sowie hier mehr zum Text und zum inhaltlich verwandten Buch „Willkommensstadt“).

 

Der prämierte Text:

Wettbewerbsbeitrag „Berlin plant immer noch“

Daniel Fuhrhop

65 Quadratmeter für zwei, zehn und hundert Menschen

Auf 65 Quadratmetern finden zwei Menschen: Einen Wohnraum und einen Schlafraum, eine Kochecke, eine Küche, ein Bad und ein Gästebad, ein Gästezimmer und einen Versammlungsraum, ein Musikzimmer oder zwei, einen Werkraum und einen Waschraum – all das auf nur 65 Quadratmetern für zwei Menschen, wenn sie den Raum teilen. Wie in Schweizer Genossenschaften oder wie in der Münchner Genossenschaft „Wagnis“ teilen sich einige wenige Menschen auch die privaten Räume, das Schlafzimmer und ein Bad, aber mit weiteren Bewohnern teilen sie eine große Küche und ein großes Wohnzimmer, und mit mehreren hundert Menschen teilen sie all jene Räume vom Gästezimmer bis zum Musiksalon, von dem Alix Rohde-Liebenau meinte, er passe nicht in die platzsparenden neuen Wohnungen. Recht hat sie, wenn jeder einen Musiksalon hat nur für sich allein, aber alles wird möglich, wenn viele sich zusammentun, und auch der Basteltisch findet Platz.

Und so können die 65 Quadratmeter für zwei Personen all das bieten: Auf 45 Quadratmetern erstrecken sich ein großer Wohnraum mit Kochnische und ein kleiner Wohn- und Schlafraum, ein Bad und ein Gäste-WC. Doch 10 Quadratmeter pro Person sind der Anteil der gemeinschaftlich genutzten Fläche, und auch diese teilt sich auf – wenn zehn Nachbarn sich zusammentun, können sie auf 50, 60 Quadratmetern großzügig kochen und essen, trinken und reden. Weitere 400 bis 800 Quadratmeter aber dienen dem ganzen Wohnensemble mit zweihundert Menschen dazu, all jene Räume anzulegen, die man gut mit vielen anderen teilen kann. Den Musikraum mit anderen zu teilen beschränkt nicht die Privatsphäre. Wenn im Gästeraum auch die Gäste meiner Nachbarn unterkommen, jeder zu seiner Zeit, dann wird er erst richtig genutzt. So viel ist möglich auf 65 Quadratmetern für zwei Menschen, und warum auch nicht: Nach dem Krieg mussten doppelt so viele auf dieser Fläche unterkommen, darum freuen wir uns, wieviel Raum wir heute haben und teilen ihn mit anderen.

Beitrag im Original

Der Wettbewerbsbeitrag im Original auf Millimeterpapier.

 

 

2 Gedanken zu „Preisträger beim Wettbewerb „Berlin plant immer noch“

  1. Tom

    Wow! Ich denke, weder Autor noch Jury merken, welch absurde Kommunistenträume sie da vor sich haben. Das klingt nach Zwangskollektivierung und ähnlichen Beglückungsmaßnahmen. Und ich wette, die kritisierten können das jetzt aber „gar nicht nachvollziehen“, denn sie meinen es ja gut und progressiv. Aber gut gemeint ist in der Regel das Gegenteil von gut und wenn die geistig Armen selig sind, ist das für den Rest der zu beglückenden Menschheit eine Katastrophe.
    Mit offenen Augen in den Totalitarismus!

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    1. Bauverbotler Beitragsautor

      Guten Tag Tom, da Sie sich auf den Wettbewerb beziehen, habe ich mir meinen prämierten Text nochmal durchgelesen, und es ist merkwürdig: Da steht nichts von Zwangskollektivierung – das enspringt rein Ihrer Phantasie. Was aber in dem Text steht, ist eine Beschreibung von Wohnformen, wie wir sie bereits vielfach finden, sogenanntes Clusterwohnen, wo Menschen eine große Küche teilen und dazu einen Wohn- und Essraum. Ob im Wohnprojekt Wagnisart München oder in vielen Schweizer Genossenschaften, nirgends wird jemand dazu gezwungen, sondern es haben sich einige freiwillig dazu entschlossen, auf diese Weise zusammenzuwohnen. Weil sie es möchten und weil sie dadurch keine anonyme Nachbarschaft haben, sondern mehr Nähe. Und gleichzeitig sparen sie durch das Teilen Platz. Jeder muss selbst entscheiden, ob das für ihn oder sie die richtige Wohnform ist, aber mit Totalitarismus hat das nichts zu tun.

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