Kreuzberg, Tübingen, Tempelhof

Bergmannstraße

Wenn man entgegen der Forderung dieses Blogs neu bauen würde, wie sollte es dann aussehen? Über diese Frage sprach ich vor kurzem mit Roland Stimpel, Chefredakteur des Deutschen Architektenblatts, und am Ende des Gesprächs schlug er vor, auf dem Tempelhofer Feld ein zweites Kreuzberg zu bauen: Unten Läden, oben Wohnungen, ein bunt gemischtes Stadtviertel, das Grundstück für Grundstück von unterschiedlichen Bauherren errichtet wird. Diesen Vorschlag führte Roland nun in einem Text für die taz weiter aus unter dem Titel Verdoppelt Kreuzberg! Dabei vergleicht er diese Idee mit dem Französischen Viertel in Tübingen, und wie der Zufall es will, werde ich in der kommenden Woche genau dorthin nach Tübingen fahren und voraussichtlich meinem ehemaligen Verlag eine Publikation über dieses Stadtviertel vermitteln. Im Unterschied zu nahezu allen neu gebauten Stadtvierteln hat man dort die Erdgeschosse ausdrücklich vom Wohnen freigehalten, und so die Ödnis neuer Wohnsiedlungen vermieden. Statt geschlossener Rolläden findet man dort Läden, Cafés oder Büros von Freiberuflern, so dass die Straßen lebendiger werden. Dazu ein Halteverbot für Autos, und schon ist viel erreicht.

Wenn ich nun trotzdem nicht umschwenke und begeistert solchen Neubau fordere, dann liegt es zum einen an den Platzreserven, die wir erstmal nutzen müssen, etwa am Leerstand, und an der Platzverschwendung, die wir beenden sollten. Zum anderen wich man mittlerweile selbst in Tübingen von den Standards des eigenen Vorbildes an. Wie würde es erst in Berlin aussehen, wenn große Flächen neu bebaut werden? Das Schlimmste ist nicht nur auf dem Tempelhofer Feld zu befürchten, sondern zum Beispiel auch auf der Freifläche zwischen Fernsehturm und Spree. Der Senat sammelt derzeit Ideen, wie man das Gelände der historischen Altstadt neu bebauen könnte. Nikolaus Bernau macht alternativ dazu in der Berliner Zeitung den Vorschlag einer dichten Bebauung, der den Ideen von Roland Stimpel gar nicht mal unähnlich ist. Doch auch hier sollte man meines Erachtens die Qualität des Freiraums schätzen und verbessern. Das fordert die Initiative Think Ber!in in einem Aufruf.

Um die harte Wirklichkeit des Neubaus um ein Beispiel aus der Provinz zu ergänzen: Neulich erst konnte zum Glück verhindert werden, dass in Oldenburg eine zentrale Freifläche am Bahnhof mit einem großen teuren Justizzentrum zugebaut wird, während das historische Gerichtsviertel aufgegeben worden wäre. Nun aber hat der lokale Stromkonzern, in dessen Eigentum sich die Fläche befindet, einige Ideen gesammelt, wie man die Fläche denn anders zubauen kann. „Wenig Wohnen“ sei geplant, berichtet die Lokalzeitung, und mit Blick zu den einzelnen Bürobauten direkt nebenan, die dort in den letzten Jahren entstanden, ahnt man schon den städtebaulichen Horror. Darum hier wie am Berliner Fernsehturm und auch auf dem Tempelhofer Feld: Lasst es frei! Verschont uns mit dem nächsten monotonen Baufeld und fangt endlich an zu überlegen, wie wir unsere vorhandenen Flächen nutzen können, wie wir zusammenrücken können und Neubau verhindern.

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