Jena ist überall

Der folgende Text erschien als Gastbeitrag auf Jenapolis aus Anlass der Planungen für ein Shopping-Center am Eichplatz in Jena.

Quirlig belebte Straßen in der Tradition der alten Jenaer Gassen tragen mit lebendigem Gewerbe zum Pulsieren der Stadt Jena bei. Mit solchen Phrasen versuchen die Investoren zu verschleiern, dass ihr Shopping-Center am Eichplatz dem lokalen Handel schaden wird. Allen beigemischten Wohnungen und Büros zum Trotz besteht der kommerzielle Kern des Projekts aus dem Shopping-Center, denn dessen Mieten liegen drei- bis sechsmal höher als die für Büro und Wohnen. Das verspricht üppige Gewinne auf Kosten der bisherigen Händler, so wie bei bereits über 600 Centern in Deutschland. Aus den vielfach eingeübten Werbesprüchen professioneller Centermacher haben sich die Investoren am Eichplatz reichlich bedient, denn Jena ist überall. Schauen wir uns an, mit welchen Argumenten die Bürger überzeugt werden sollen, neuer Konkurrenz für den alteingesessenen Handel zuzustimmen.

1. „Der bereits bestehende Einzelhandel wird … aufgewertet“, heißt es auf der Pro-Eichplatz-Webseite. Da wird eine wundersame Geldvermehrung vorausgesagt, denn in einem neuen Center mit 10.000 Quadratmetern Verkaufsfläche würden jedes Jahr über 30 Millionen Euro ausgegeben, und wo sollen die herkommen, wenn nicht vom bereits bestehenden Einzelhandel?
2. Ein „lebendiges Stadtquartier“ soll entstehen, doch mit den Menschen ist es wie mit dem Geld: sie sind nicht beliebig vermehrbar. Wenn also viele Menschen ein neues Center beleben, dann werden zwangsläufig andere Stellen der Innenstadt veröden.
3. Die Stadt gewinnt angeblich, etwa indem das neue Gewerbe zum „Pulsieren der Stadt Jena“ beiträgt, so steht es geschrieben. Andernorts heißt es oft, die „Zentralität“ und die „Kaufkraftkennziffer“ einer Stadt werde durch ein neues Center steigen. Das mag sogar sein, doch dahinter verbergen sich zum einen die Umschichtungen innerhalb der Stadt von den bestehenden Händlern zu den neuen Läden, zum anderen wird Geld von benachbarten Städten abgeworben. Unterm Strich profitiert nur das neue Shopping-Center mit seinen Betreibern und Investoren.
4. Das Center am Eichplatz werde „für eine breite Vielfalt“ von Geschäften sorgen, mit „internationalen, nationalen und regionalen Anbietern“. Aber ein Shopping-Center und sein Branchenmix sind immer nur so vielfältig, wie es die Gewinnmaximierung der Betreiber erlaubt. Wie das dann aussieht, kennt man von jedem x-beliebigen anderen Center.
5. Die „Baukörper sind in kleine Bereiche unterteilt“, loben sich die Entwickler, und in der Tat gibt es noch klotzigere Neubaukomplexe. Aber auch beim Eichplatz-Projekt umfasst der Bereich des Centers einen Block von rund 100 Metern Länge, der nur durch einen schmalen Durchgang unterbrochen wird. Und die „abwechslungsreichen Fassaden“ ändern nichts daran, dass dieses Shopping-Center in brutaler Konkurrenz zum angestammten Handel steht.

Hundertfach haben Centermacher versucht, Stadtzentren zu erobern, und oft ist es ihnen gelungen. Doch die Bürger von Jena können sich in eine andere Tradition einreihen: 2006 verhinderten die Einwohner von Würzburg ein Shopping-Center, 2010 gelang ein Bürgerentscheid in Siegburg zur Abwehr eines Centers, und 2014 kann das Jahr von Jena werden.

Einige Links zum Text auf meiner Webseite.
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