Die Stein-Strategie

Stein-Strategie Buchtitel

Viel Unglück bewirkt der Drang, immer etwas zu tun, und viele Fehler geschehen, weil jemand nicht untätig erscheinen wollte. Stattdessen sollten wir die „Kunst nicht zu  handeln“ pflegen, schreibt Holm Friebe in seinem Buch „Stein-Strategie“. Er bringt Beispiele aus der Politik mit dem Bild des „Machers“ und aus dem Management, wo  unter wechselnden Namen immer wieder das Neue propagiert wird, sei es „business reengineering“ oder „change management“. Aber natürlich drängen sich nicht nur wegen der namengebenden Steine die Vergleiche mit dem Bauen auf: Wieviele Badeparadiese und Shopping-Center wurden wohl gebaut, weil Kommunalpolitiker meinten, sie müssten irgendetwas tun für ihre Stadt? Aus kurzfristigen Impulsen gestartet, belasten uns diese Projekte noch lange. Auf Landesebene sind es Großprojekte wie neue Messen und Flughäfen, mit denen Minister ihr Amt rechtfertigen wollen. Das erinnert an die herrschende Ideologie des „alles immer“ und „alles jetzt“, von der Harald Welzer spricht.

Dieser Fortschrittsglaube dominiert trotz der eigentlich erkannten Grenzen des Wachstums, schreibt Holm Friebe, und skizziert die Unfähigkeit unserer Wirtschaft, anstelle des „höher, schneller, weiter“ ein Gleichgewicht anzustreben, einen „steady state“ – von einer Postwachstumsökonomie sind wir weit entfernt. Wenn doch jeder mit Friebe erkennen würde „Nicht alles Neue ist toll, und nichts ist toll, nur weil es neu ist.“ Um jede neue Technologie entsteht ein neuer Hype, beschreibt der Autor, obwohl der Wandel gar nicht so schnell ist, wie manche meinen: Viele Technologien, die es seit über 50 Jahren gibt, werden vermutlich auch in 50 Jahren noch bestehen. So zitiert er David Edgerton aus dessen Buch „The Shock of the Old“: „Es gibt immer noch Busse, Züge, Radios, Fernseher und das Kino, und wir konsumieren immer größere Mengen Papier, Zement und Stahl.“ Den Vergleich zum Bauen zieht Friebe dann technologisch und wendet sich gegen die Niedrigenergiehäuser mit ihren neuen Materialien. Ergänzen könnte man Doppelglasfassaden und hochkomplexe Klimaanlagen, wenn Friebe über Bautechnik schreibt: „Ein Haus, das bereits hundert Jahre steht, hat gute Chancen, weitere hundert Jahre in Benutzung zu sein.“

Bei dieser Bemerkung bezieht sich Holm Friebe auch auf Baustile, die den Menschen gefallen, mit bewährten Materialien aus der Region in „behutsam traditionalistischer Bauweise“, wie sie Lukas Imhof und Miroslav Sik verträten (vergleiche hierzu das Gespräch mit Muck Petzet). Er setzt diese Art des Bauens in Gegensatz zur Moderne der Bauhaus-Architekten, die an den Wünschen vieler Menschen vorbeigehe. Hier sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Moderne bereits historisiert ist und sich der Respekt vor dem Gebauten nach der Hundert-Jahre-Regel bald auch auf die Bauten der 1920er Jahre beziehen wird. Design und Ästhetik des Bauhauses werden dauerhaft faszinieren, während von ihren technischen Innovationen leider massengefertigte Plattenbauten die Erinnerung dominieren, die von den Idealen der industrialisierten Fertigung zeugen. Städtebaulich wird das Erbe der Moderne dann erst recht katastrophal, und Holm Friebe spricht den Kampf gegen den Autobahnbau in Berlin Kreuzberg an, wo wir den Hausbesetzern ewig dankbar sein müssen, dass sie in den 1970ern zum Erhalt der Gründerzeitviertel beitrugen. Für neu gebaute Stadtviertel gilt wohl die Aussage von John Gall, den Friebe so zitiert: „Neue Systeme bedeuten neue Probleme.“ Zur Demut und Vorsicht im Umgang mit dem Bestehenden rät er, und dazu motiviert das Buch zur Stein-Strategie. Es sind kurze und kurzweilige 200 Seiten, weit ausholend und nicht immer tief schürfend, aber anregend.

Holm Friebe: Die Stein Strategie. Von der Kunst, nicht zu handeln. Hanser, München 2013. 214 Seiten, 14,90 €. ISBN 978-3-446-43677-0. Erhältlich über jede Buchhandlung oder online nicht nur bei dem großen Web-Kaufhaus, das durch seine Konkurrenz die Buchläden bedrängt, sondern stattdessen auch beim klassischen Buchhändler wie zum Beispiel bei Bültmann & Gerriets Oldenburg, eine der größten unabhängigen inhabergeführten Buchhandlungen in Deutschland, wo man per Klick mit Rückgaberecht bestellen kann, und zwar hier.

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Ein Gedanke zu „Die Stein-Strategie

  1. Kaiser Karl Johann

    Toller Beitrag/Buch

    Als Restaurator und Kirchenmaler habe ich eh meine Antennen weiträumig ausgerichtet auf die oben benannte Thematik.
    Aber es ist wie Säckeschleppen.
    Alleine gegen den Mainstream der Meinungsdiktatur steht man auf verlorenem Posten.

    Seit über 30 Jahren versuche ich, aus meinem Bereich heraus,
    den herrlichen Werkstoff „Kalk“ in das Bewusstsein von Bauschaffenden zurück zu bringen.
    Vergebens.
    Hingegen, – verstreichbares Plastik mit dem blauen Engel „veredelt“ ist fester Bestandteil in jedem Baumarkt.

    In dem Sinne und Gruß bis dann,-
    Meister Kaiser Karl Johann
    Restaurator & Kirchenmaler.

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