Bauverbotsforschung

Bauverbotsforschung

Über zehn Millionen Euro gibt die „Forschungsinitiative Zukunft Bau“ jedes Jahr für Bauforschung aus. Soviel ist es dem Bund wert, innovative Ideen zur Zukunft des Bauens zu sammeln, und damit auch zur Zukunft des Wohnens und unserer Städte. Um diese Ideen ging es bei einer Tagung zu „Innovation und Baukultur“ in Bonn, veranstaltet vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), und eigentlich sprachen gleich mehrere Redner darüber, dass wir die Zukunft des Bauens nicht im Neuen, sondern im Weniger suchen müssten. „Weniger ist Zukunft“, hieß ein Beitrag, „Die Zukunft der Vergangenheit“ ein weiterer, und zu den Sprechern gehörte mit Ralf Schüle auch ein Vertreter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie (er sprach übrigens vor zweieinhalb Jahren auf einer von mir noch als Verleger organisierten Tagung zum „Stadtwandel in Zeiten des Klimawandels“). Manfred Hegger redete sogar ausdrücklich zu „Suffizienz“ und hätte damit auch eine Woche später bei der Tagung „Besser Anders Weniger“ auftreten können, dem db-Suffizienzkongress; es ging um das gute Leben und er zitierte Harald Welzer. Aber all diesen schönen Ansätzen zum Trotz: Wenn es dann konkret um die Bauforschung ging und um die geförderten Projekte, dann stand doch wieder der Neubau im Vordergrund. So gehören zu den Vorzeigeprojekten des BBSR die „Effizienzhäuser plus“, Neubauten mit viel neuer Technologie, von denen allein das Muster-Einfamilienhäuschen in Berlin satte 2,2 Millionen Euro kostete.
Immerhin war den Machern teilweise bewusst, dass die Lösung unserer Probleme nicht im Neubau liegen kann, denn sie diskutierten darüber, warum es denn so wenig Forschungsvorhaben zur Sanierung des Gebäudebestands gebe. Überlegen wir also, wie eine „Bauverbotsforschung“ aussähe. Sie müsste im Gegensatz zur (Neu-)Bauforschung schon dabei beginnen, sich über die Nutzung von Gebäuden Gedanken zu machen, oder über ihre Nicht-Nutzung. Was können wir gegen Leerstand tun? Das wäre eine Forschungsfrage, oder konkreter: Könnten wir auch in Deutschland wie aktuell in Amsterdam und den Niederlanden Gesetze erlassen, die bockigen Eigentümern leerstehender Bauten zur Not Mieter zuweisen, wie vor kurzem hier berichtet?

Themen der Bauverbotsforschung

Eine andere juristische Frage, die es zu erforschen lohnt, wäre die fatale Rechtssprechung zu Bauten auf der grünen Wiese. Wie neulich beim Thema Factory Outlet Center hier angesprochen, werden derzeit neue Handelsbauten oft erlaubt, wenn sie vereinfacht gesagt den vorhandenen Händlern „nur“ 10% vom Umsatz wegnehmen. Wie könnte man juristisch argumentieren, dass mit dieser Salamitaktik immer wieder 10% von immer geringeren Umsätzen weggenommen werden, bis am Ende die bestehenden Händler kaputtgehen?
Dieses Thema müsste auch das BBSR interessieren, das ja die Raumplanung im Namen führt. Auch ein regionaler Ausgleich zwischen boomenden und schrumpfenden Regionen wäre Inhalt der Bauverbotsforschung, denn so könnten wir Leerstand oder gar Abriss in schwächelnden Gegenden verhindern und die Bauwut in Boomstädten.
Wenn es dann konkret um Gebäude geht, wäre erneut die Nutzung ein Thema, oder die Umnutzung etwa von leerstehenden Büros zu Wohnungen. Technisch und rechtlich scheint das nicht einfach zu sein, und noch schwieriger bei speziellen leerstehenden Gebäuden wie Kirchen und Fabriken, also sollte die Forschung helfen. Sie könnte sich auch den „weichen“ Faktoren dieser Umnutzung widmen, einer „Umbaukultur“, wie unlängst auf der gleichnamigen Tagung diskutiert.
Was halten die Bewohner von Sanierung oder alternativ von Abriss und Neubau? In Bonn zeigte Kathrin Möller von der Wohnungsbaugesellschaft GAG Immobilien unter anderem die Siedlung am Buchheimer Weg. Eigentlich pflegt die GAG ihren Bestand und kann eine Sanierungsquote von über 3% vorweisen, die jährlich in Schuss gesetzt werden. Dort am Buchheimer Weg hat sich das Unternehmen aber anders entscheiden, einige hundert Wohnungen abgerissen und durch (Ersatz)-Neubauten ersetzt. Über 60 Prozent der früheren Bewohner seien wieder Mieter geworden, berichtete Frau Möller. Das klang positiv, doch zum einen musste ich daran denken, dass bei einem ähnlich großen Sanierungsprojekt der Stäwog in Bremerhaven Wulsdorf über 80% der Mieter gehalten wurden. Zum anderen wären es interessante Forschungsfragen, wie zufrieden die von Alt- in Neubauten umgezogenen Mieter nun sind, nachdem ihre alte Heimat abgerissen wurde. Und erst recht wäre interessant zu wissen, was aus den anderen 40% wurde, wo sie heute wohnen und wie es ihnen geht.

Innovativer Nichtbau

In der bisherigen Bauforschung geht es zuviel um neue Häuser und zuviel um neue Baumaterialien und neue Bauweisen. So stellte der Ingenieur Mike Schlaich einen neuen Infraleichtbeton vor, der durch andere Zuschlagstoffe erheblich leichter ist als bisheriger. Wolfram Jäger sprach über „rezyklierbare“ Häuser, also wieder abbaubare und wiedernutzbare Bauteile. Beide leisten in ihren Gebieten zweifellos engagierte Arbeit. Doch führt es uns nicht auf den falschen Weg, mit neuen Materialien und Bauweisen zu arbeiten, und uns dabei neue Risiken einzuhandeln? Wir schaffen es bisher nicht einmal, die Bauschäden bei „klassischen“ Bauweisen zu vermeiden, wovon mir im Pausengespräch Heike Böhmer vom Institut für Bauforschung berichtete. Mit Experimenten bei völlig neuen Bautechniken ist es unvermeidbar, die Bauschäden von morgen zu programmieren.
Wir brauchen keine neuen Häuser, denn wir haben schon welche, sagte auf dem „Zukunft Bau“-Kongress Hansjürg Leibundgut, und fügte hinzu, dass wir durchaus neue Heiz- und Energietechnik für die alten Häuser benötigen: Wir brauchen neue Maschinen, nicht neue Häuser. Er zeigte ein Projekt, um Gründerzeithäuser in Zürich sogar zu „Zero Emission“-Häusern zu machen mit einer ausgeglichenen Klimabilanz. Dafür entstehen auf dem Dach Solarkollektoren für Strom und Warmwasser, die im Sommer erheblich mehr Energie sammeln, als gebraucht wird. Diese überschüssige Wärmeenergie soll nun durch Sonden 500 Meter tief in den Erdboden gebracht werden und dort bis zum Winter gespeichert. Dann soll sie durch Wärmetauscher die Sommerenergie im Winter nutzbar machen. Ein innovatives Beispiel dafür, wie wir ganz ohne Effizienzhaus-Neubauten Energie besser nutzen können.

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